
Von der Suche nach Vertiefung zur Yogalehrer-Ausbildung – gegen alle Widerstände
Anfang der 90er-Jahre wollte Liliane ihre Praxis vertiefen. Sie suchte Rat bei Yesudian und erhielt von ihm eine klare Antwort: „Erfülle deine Mutterpflichten, übe weiter Yoga – alles andere wird sich ergeben.“ Was sie sich erhofft hatte – eine konkrete Adresse für eine Möglichkeit der Vertiefung von Yoga in Indien – blieb aus. Zunächst empfand sie das als Enttäuschung, doch im Rückblick war es ein entscheidender Hinweis: Kurz darauf stiess sie auf Reto Zbinden, der 1995 eine vierjährige Yogalehrer-Ausbildung ins Leben gerufen hatte, und besuchte den Informationsanlass in Zürich.
Eigentlich war so eine intensive Ausbildung ein Ding der Unmöglichkeit: drei kleine Kinder, ein 100-Prozent-Arbeitspensum ihres Mannes und, bedingt durch die Hochzinspolitik jener Zeit, eine angespannte finanzielle Situation. Doch Liliane spürte, dass es der richtige Weg für sie war. Und plötzlich fügten sich die Dinge: Ihre Schwiegermutter, die Yoga zunächst kritisch sah, erklärte sich bereit, die Kinder zu hüten. Ihr Vater legte beim wöchentlichen Besuch der Enkel überraschend das Geld für die Ausbildung bar auf den Küchentisch. «Wenn ich zurückblicke, bin ich einfach nur dankbar. Es war, als hätte mich das Leben selbst geführt – und ich musste nur den Mut haben, zuzugreifen.»
Gleich in der ersten Ausbildungswoche kam die Biographiearbeit – für Liliane ein Schlüsselmoment. Zum ersten Mal reflektierte sie ihr Leben, sprach mit ihren Eltern über alte Verletzungen und erlebte, wie sich Konflikte lösten. «Das hat für mich vieles rund gemacht. Ich habe verstanden: Auch die Steine auf dem Lebensweg gehören dazu.»
Zögerlich begonnen – mit Herz geblieben
Eigentlich wollte sie nie unterrichten. «Ich habe die Ausbildung für mich gemacht, nicht fürs Lehren.» Mehrmals spielte sie sogar mit dem Gedanken, aufzuhören – zu gross war die Belastung, Familie und den Yogaweg unter einen Hut zu bringen. Doch Mitschüler:innen ermutigten sie, dranzubleiben und den Schritt ins Unterrichten zu wagen. So begann sie – klein und vorsichtig.
1999 gab sie ihre ersten Stunden mit sechs Teilnehmenden in einem Kursraum, den sie dank eines Bekannten anfänglich für den halben Mietzins nutzen durfte. Drei Jahre lang verzichtete sie bewusst auf Werbung – aus Angst vor den Reaktionen in ihrem Umfeld. Denn Yoga war damals noch etwas Exotisches, dem viele mit Skepsis begegneten. «In meiner Wohngemeinde war ich durch meine frühere Arbeit auf der Gemeindekanzlei bekannt. Ich wollte nicht riskieren, dass – falls der Aufbau einer eigenen Yogaschule nicht gelingen sollte – dadurch auch Yoga als solches einen negativen Touch erhielte.» Doch langsam, aber stetig wuchs das Interesse, und die Teilnehmerzahlen stiegen. Nach rund drei Jahren wurde das grosse Schaufenster gut sichtbar mit „Yogaschule“ beschriftet.
Heute, über 26 Jahre später, unterrichtet sie immer noch am gleichen Ort – in kleinen Gruppen mit treuen Schüler:innen. «Ich bin wohl für meine Leute ein stabiler Faktor. In all den Jahren habe ich fast nie gefehlt. Inzwischen ist es für mich eine sinnstiftende Pflicht (svadharma), das weiterzugeben, was ich (hauptsächlich von Selvarajan Yesudian) so wohltuend und heilsam geschenkt bekommen habe.»
Mitgliedschaft im Schweizer Yogaverband – Rückhalt und Horizonterweiterung
Seit 1997 ist Liliane Mitglied im Schweizer Yogaverband. Gerade am Anfang empfand sie den Verband als grosse Stütze: «Für mich war es extrem wertvoll, eine seriöse Institution im Rücken zu haben.»
Besonders prägend war für sie die Horizonterweiterung in Villeret: «Ich kannte nur Yoga in der Tradition von Yesudian – und plötzlich sah ich, wie vielfältig Yoga sein kann. Das hat mich offener und toleranter gemacht.» Sie schätzt bis heute den Ehrenkodex, die Weiterbildungsmöglichkeiten und die Kongresse, die für sie jedes Mal Höhepunkte waren. «Der Verband repräsentiert für mich nach wie vor das höchste Level an Qualität und Professionalität im Yoga in der Schweiz.»
Haltung zum Yoga – jenseits von Trends
Liliane ist dankbar, nach so vielen Jahren immer noch mit Freude zu unterrichten. Was sie am meisten liebt? «Es ist fast nicht in Worte zu fassen – der energetische Austausch, die Verbindung mit den Menschen, meine eigene Weiterentwicklung.» Schnelllebige Trends sieht sie kritisch: «Yoga ist keine Marke. Wer ernsthaft sucht, findet Tiefe. Und was nur Mode ist, vergeht auch wieder.» Selber orientiert sie sich – auch im täglichen Leben – an den drei «heiligen» Handlungen des Yoga: Selbstreflektion (svadhyaya), inneres Streben (tapas), Hingabe (ishvarapranidhana)
An die nächste Generation richtet sie einen klaren Rat. Es ist ein Satz des deutschen Autors Werner Bethmann, der sie seit vielen Jahren begleitet: «Nur Mut – ob eine Sache gelingt, erfährst du nicht im Nachdenken, sondern nur, wenn du es ausprobierst.»