Genuss in der Winterzeit

  
Die tiefste, von Kälte begleitete Dunkelheit haben wir hinter uns gelassen. Langsam werden die Tage heller, wenn auch die kalten Temperaturen den Ton angeben. Der Winter ist eine Pause im Wachstum und die Natur bewahrt das Leben in der Tiefe der Erde. In dieser Jahreszeit braucht unser Körper Schutz vor Kälte und Trockenheit, damit er seine Substanz bewahren kann, um später, im übertragenen Sinn, wieder keimen und spriessen zu können. Weniger essen zum Abnehmen der Festtagsgenüsse zehrt in dieser Jahreszeit an den körperlichen Kräften. Dafür ist im Frühling Zeit.

Text Karin Dubi

Wärmendes und Nährendes bietet Schutz

Im Winter kuscheln wir uns in warme flauschige Kleider, wärmen unseren Körper mit Yoga, einem warmen Bad oder Sauna und erhellen unser Gemüt mit Kerzenlicht und wohlriechenden Düften. Auch das Essen bietet diese Palette an Möglichkeiten. So ist beispielsweise der Rosenkohl, der mit dem Frost reift und im Schnee geerntet wird, eines der wenigen, eher wärmenden Gemüse. Lange Kochzeiten und wärmende Gewürze machen die Gerichte nährend und kräftigend, geben Geist und Körper die benötigte Energie und riechen fein. Nicht umsonst sind Schmorgerichte und Siedfleisch typische Wintergerichte.

Nährend und die Jahreszeit ausgleichend sind auch Samen, Kerne, Hülsenfrüchte, Öliges und Ghee, sowie Wurzelgemüse. Mit ihrer Form und Gestalt, aus der Tiefe und dem Innersten kommend, entsprechen sie dieser Zeit und verkörpern das Winterprinzip in der Ernährung.

Mit dem Essen im Einklang des Körpers mit den Jahreszeiten und der Natur kräftigen wir unsere Organe, unser inneres Feuer und unsere Abwehr. Mit Gewohnheiten im Einklang mit den Jahreszeiten und der Natur beachten wir auch die äusseren Umstände und sind aufmerksam für das, was wir brauchen. Wir sind im «Jetzt». Die Voraussetzung fürs Geniessen. Und das Geniessen hilft, uns wohl, zufrieden und erfüllt zu fühlen. Nährend im übertragenen Sinn und stärkend auf körperlicher Ebene: Das Empfinden von Genuss führt zu einem Anstieg des Immunglobin-A-Spiegels (IgA). Das sind Eiweisse, die zum Immunsystem des Körpers gehören.

Genuss ein Lebenselixier

Nicht nur im Winter tut uns Geniessen gut. Doch wenn die Jahreszeit weniger leicht zugängliche Genussmomente bietet, ist dem Genuss besondere Beachtung zu schenken. Unsere fünf Sinne lassen uns Genussmomente erleben:

Riechen: der erste Schluck duftenden Tee am Morgen, einen lieben Menschen

Schmecken: das liebevoll zubereitete Essen, Düfte von Gewürzen und Aromen

Tasten: die Konsistenzen eines Gerichtes, eine warme Dusche, die kuschelige Decke, die glatte Oberfläche des Naturholztisches oder die im Winter selteneren Sonnenstrahlen auf der Haut

Sehen: der gedeckte Tisch, die vom Himmel tanzenden Schneeflocken, das flackernde Kerzenlicht oder der klare Sternenhimmel

Hören: das Blubbern des Eintopfes auf dem Herd, die Stille der verschneiten Landschaft, die Klänge von herzerwärmender Musik, das Lachen von Menschen oder Lauschen einer angenehmen Stimme

Genüsse sind persönlich und individuell. Was sind deine Genussmomente? Im Alltagstrubel geht die Aufmerksamkeit für das „Jetzt“ oft verloren. Wir müssen zur Arbeit, noch schnell etwas erledigen, die Nachrichten auf dem Handy beantworten… Sobald wir Hektik verspüren ist es schwierig, sich auf etwas zu konzentrieren. Darum brauchen wir Momente, in welchen wir uns erinnern, dass das Leben jetzt stattfindet. Genussmomente. Auch in der Winterpause:

Sufi-Geschichte – etwas zum Lauschen

Es waren zwei Männer. Einer mit einer Schale, der andere mit zwei Schalen. Der Mann mit einer Schale mischte bitter und süss. Der Mann mit zwei Schalen trennte bitter und süss und ass nach seiner Vorliebe. Er zehrte aus und kam dem Tode nahe. Der Mann mit einer Schale erfreute sich seiner Gesundheit. So fragte der Mann mit zwei Schalen den Mann mit einer Schale, wie das komme. Der Mann mit einer Schale antwortete: ich esse was ich bekomme – alles in seiner Gesamtheit.