Am Frieden arbeiten – bei sich selber beginnen

   
Krieg in der Ukraine, Krieg im Nahen Osten: Friede scheint eine Utopie zu sein. Doch er beginnt bei und mit jeder einzelnen Person. Yoga und Meditation ist einer der Wege, Frieden einzuüben und zu kultivieren. Das Zauberwort: ahimsa – Friedfertigkeit.

 

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Text Marcel Friedli-Schwarz
 

Das Gefühl von Ohnmacht schleicht sich ein, setzt sich fest: zuerst der Krieg in der Ukraine. Er scheint ohne Ende. Trotz der einen und anderen Bemühung, Verhandlungen für Frieden zu initiieren. Und seit ein paar Monaten ist der Konflikt im Nahen Osten wieder aufgeflammt. Ganz zu schweigen von den zahlreichen weiteren Krisenherden in der Welt, über die kaum berichtet wird. Weil man offenbar davon ausgeht, dass man den Menschen die Berichte über zu viele Kriege zumuten könne.

Wo ist er, der Friede? Ist man nicht an einer politischen Schlüsselstelle im Gefüge der Weltpolitik, bekommt man das Gefühl, dem Trüben und Dunkeln menschlichen Treibens ausgeliefert zu sein. Ohne selber etwas machen zu können. Da kann sich Trübsal und Resignation einschleichen – oder man blendet aus, verdrängt. Ganz ausweichen können wir dem belastenden Thema kaum. So dass wir uns doch, manchmal insgeheim, fragen: Wie können wir ihn bewerkstelligen, den Frieden? Kann ich etwas tun? Was?

hell und dunkel

Wo Dunkel ist, ist auch Hell. Wo Krieg ist, ist auch Friede. Auch wenn das grad nicht ersichtlich zu sein scheint – doch: das Helle ist da. Wer sich dem Yoga widmet, kennt dies allenfalls auch von dessen Philosophie: In den Yoga Sutras von Patanjali ist von ahimsa. Dieser Sanskrit-Ausdruck bedeutet: Gewaltlosigkeit, nicht verletzen. Positiv ausgedrückt, sprechen wir von Friedfertigkeit; behutsam und achtsam sein. Klingt wunderschön. Für die einen. Bei anderen löst dies Stirnrunzeln aus, wenn ihnen dieser Begriff zu Ohren oder zu Augen kommt: Wie soll das gehen?

Die Antwort auf diese Frage: Es ist kompliziert, und es ist möglich – mit stetem Üben. Mit viel Geduld. Nachsicht, wenn es zu einem Rückschritt oder einem Fehltritt kommt. Friede beginnt bei mir selber. So abgegriffen dies klingen mag, so viel Potenzial steckt in diesem Satz – wenn ich mich tiefer auf ihn einlasse. Jedes Mal, wenn ich Yoga oder etwas Verwandtes mache, ist dies eine Gelegenheit, Frieden mit mir selber zu pflegen.

ziehen und kribbeln

Eine Ebene, auf der ich Friedfertigkeit mit mir einüben kann, ist die körperliche. Indem ich Haltungen (Asanas) des Yoga einnehme, ohne über meinen Körper zu verfügen. Sondern mit ihm in Kommunikation bin. Ihn nicht in etwas hineinquetsche, hineinzwinge, hineinzwänge. Seinen Körper fragen: Passt das so für dich? Was brauchst du noch? Vielleicht flüstert er dir über ein Ziehen, Kribbeln oder sonstwie zu, was er benötigt, um die Haltung stimmiger, seinen jetzigen Möglichkeiten entsprechend, zu verkörpern. Manchmal verrät mir auch der Atem, ob ich behutsam – friedvoll, friedfertig – mit mir selber unterwegs bin. Eine weitere Ebene ist die mentale. Versuche ich, mich über die Füsse in jedem Asana zu verankern, kanalisiere und filtere ich Gedankenströme. Und mir wird bewusst, welche Gedanken und Bilder meinen Kopf bevölkern. So kann ich versuchen, mich wieder frisch in der Haltung zu konzentrieren – und Negatives aussen vor lassen. Friedensarbeit beginnt (auch) im Kopf.

Oft wird beim Yoga davon ausgegangen und damit Werbung gemacht, dass es Glücksgefühle auslöse. Das kann es geben. Doch auch das ist möglich: dass sich Ängste melden. Dass Schweres nach oben ploppt, das vielleicht zu Tränen führt. Sich selber akzeptierend-mitfühlend zu begegnen, ist ein wesentlicher Schritt zur Heilung. Je geheilter die Seele ist, umso heilsamer können wir im Umfeld und in der Welt wirken.

Konflikte ansprechen

Regelmässiges Yoga, das sich an ahimsa orientiert, stärkt sowohl emotional wie auch körperlich und emotional. Das strahlt ins Leben aus. Nimmst du dich via Gefühle, Körper und Gedanken selber wahr, handelst du bewusster: merkst einen inneren Zwiespalt, sprichst einen schwelenden Konflikt mit einem Mitmenschen an – oder nimmst wohlüberlegt Rücksicht. Je nach Situation kann das eine oder andere angezeigt sein. Kultiviere und pflege ich ahimsa, verändert dies meinen Gemütszustand – und jenen der Menschen um mich herum: Sie empfinden liebevolle(re) Gefühle und hegen freundliche(re) Gedanken.

auf seine Stärken setzen

Ich, du, die Welt: Auf diesen Nenner lässt sich Friedensarbeit bringen. Dies ist auch die Formel, von der sich Unity-Schweiz leiten lässt. Sehr angetan davon ist Barbara Fitze, die in den Räumlichkeiten von Unity-Schweiz Yoga anleitet. Yoga sei eine Methode, bei sich selber anzusetzen: «Ich bin überzeugt, dass Friedensarbeit bei einem selber beginnt. Yoga kann dabei helfen, zur Ruhe zu kommen.» Geeignet dafür sei zum Beispiel das bewusste Lenken der Energie, die im Atmen mitfliesst: Pranayama. Ebenso das bewusste Einwirken via Asanas auf die Chakren, auf die Energiezentren. Auch auf direkt erfahrbare Weise: Jemand hat Rückenschmerzen und findet die passenden Übungen, welche diese lindern. «Fühlt man sich im eigenen Körper wohl, hebt das die Stimmung und auch die Gedanken werden sonniger», sagt Barbara Fitze. «Das setzt Kräfte frei, liebevoll mit anderen Menschen in Kontakt zu treten – und einen Beitrag für eine friedliche Welt zu leisten.» Zudem helfe Yoga, sich selber besser kennenzulernen. «Mich hat schon immer interessiert», sagt Barbara Fitze, die hauptberuflich als Stärken-Coach für Führungskräfte arbeitet, «welche Stärken ein Mensch hat. Yoga kann dazu beitragen, sich dieser bewusst zu werden. Mit Yoga lernt man sich selber immer besser kennen. Auch seine Stärken. Sind wir uns unserer Stärken bewusst, können wir uns konstruktiv in der Welt einbringen.»

sich mit sich selber verbinden

Katrin Schatzmann Graber arbeitet seit einem Jahr bei Unity-Schweiz und koordiniert als Teil ihres Teams die drei Ansätze für Friedensarbeit. Sie hat Kunsttherapie studiert und ist Mental-Health-Trainerin. Am Hauptsitz in Bern bietet sie geführte Meditationen an. «Gerät man aus der Balance», sagt sie, «hilft Meditation, sich wieder mit sich selber zu verbinden – und dadurch mit der tieferen Ebene. Ihr kann man verschiedene Namen geben: allgegenwärtige, sinnstiftende Energie. Universelle Intelligenz. Seins-Fühlung. Gott, Lebensenergie.» Begebe man sich regelmässig in die Stille, könne dies zur Erkenntnis führen, dass wir mehr sind als unsere Gedanken. «Dies kann helfen, das innere und äussere Geschehen mit und aus angemessener Distanz zu betrachten. Diese Erfahrung hilft, wenigerimpulsiv und weniger verletzend zu sprechen und zu handeln – sondern aus der eigenen Mitte, aus der Ruhe, aus dem Herzen heraus. Bewusst. Das ist ein Beitrag zum Frieden im Miteinander, den wir alle leisten können.» Nicht alle sprechen auf Meditation, Yoga und Ähnliches an. Du kannst auch beim Du oder bei der Welt beginnen. Hauptsache, wir fangen an (und machen weiter).

 

 

Insel der Friedfertigkeit

Ahimsa (vgl. oben) ist das erste der fünf Yamas. Dies sind Empfehlungen für unser Verhalten gegenüber anderen und der Schöpfung. Die Yamas sind Teil der Yoga Sutras von Patanjali. Die Sutras sind in knappen Worten gehalten.

Ausdeutschen kann man das ahimsa-Sutra (2.35) so: «Je behutsamer ein Mensch handelt, desto mehr werden andere Menschen in seiner Gegenwart liebevolle Gefühle empfinden. In der Nähe eines Menschen, der sich in ahimsa übt, wird Feindseligkeit nicht gedeihen. Um diejenigen, die Aggressivität vermeiden, bildet sich eine Insel der Friedfertigkeit.»

Ahimsa bedeutet übersetzt: Nicht-Gewalt. Dies heisst: friedfertiges Handeln. In Worten und Taten. Gegenüber allen Lebewesen, der Umwelt, dem Universum.

In der Umsetzung heisst ahimsa auch: einen Lebensstil pflegen, der sorgsam mit den Ressourcen unseres Planeten umgeht. Nehme ich den Flieger und schade der Umwelt? Und ich entscheide, dass das aktuelle Handy genügt, um die knappen Rohstoffe nicht noch mehr zu vergeuden. Ich versuche, so einzukaufen, dass ich kein Essen wegwerfen muss.

Die drei magischen Friedens-Säulen

Unity-Schweiz mit Hauptsitz in Bern stützt sich auf drei Säulen der Friedensarbeit (vgl. oben):

Ich & Ich: Mit sich selbst im Reinen zu sein, ist die Basis dafür, dass die Welt friedlich(er) wird. Dazu braucht es die Bereitschaft, sich mit der eigenen inneren Welt auseinanderzusetzen. Zum Beispiel via Meditation, Yoga, Lektüre, sich mitteilen.

Ich & Du: Gegenseitiges Verständnis und Vertrauen schaffen. Auch zwischen Menschen mit verschiedenen kulturellen und religiösen Hintergründen. Möglichkeiten dazu sind interkulturelle Essen, Vorträge, Stricken, Lesezirkel. Anderen aktiv zuhören und Beziehungen sorgsam pflegen.

Ich & die Welt: Grundversorgung und Bildung weltweit unterstützen und stärken. Sich so mit Menschen zusammentun, die sich für den Frieden und die Umwelt einsetzen. Mithelfen, die Strukturen weltfreundlich zu gestalten, zum Beispiel über politisches Engagement.

Charles und Myrtle Fillmore gründen 1889 die Unity-Bewegung in Missouri/USA. Myrtle Fillmore leidet als Kind an Tuberkulose und gilt als unheilbar. Sie überwindet die Krankheit und wird zu einer Pionierin christlicher Metaphysik. Seit den 1950er-Jahren ist Unity auch in Europa aktiv. In der Schweiz hat sie in Aarau, Basel, Bern, St. Gallen und Zürich Gruppen, die zum Teil im Aufbau sind.Unity-Schweiz versteht sich als interkulturelle, interreligiöse und philosophische Lebensschule. Sie ist als gemeinnütziger Verein organisiert.

www.unity-schweiz.ch 

Team von Unity-Schweiz

 

 

 

 

  

Barbara Fitze, Yogalehrerin bei Unity-Schweiz

 

 

 

 

 

(v.l.) Katrin Schatzmann Graber, Katrin Kläy, Alfons Hubmann (Präsident des Vereins UNITY-Schweiz).